Die Herbstzeitlose, wissenschaftlich auch „Colchicum autumnale“ genannt, trägt nicht umsonst den Titel „Giftpflanze des Jahres 2010“. Die im Herbst blühende Schönheit, die Krokussen zwar vom Aussehen ähnelt, jedoch nur fern mit diesen verwandt ist, sollte man aufgrund ihrer Inhaltsstoffe – die für Menschen tödliche Folgen beim Konsum haben – lieber nur mit den Augen bewundern.
Wie alle anderen Pflanzen der Ordnung der Lilienartigen ist auch die Herbstzeitlose mehrjährig und überdauert den Winter unter der Erde in einer Knolle. Im Frühsommer erscheinen dann die ersten Laubblätter, die bis zu 30 Zentimeter lang werden. Anders als bei den meisten Pflanzen reifen die Früchte kalendarisch gesehen vor der Blüte heran, weshalb sie im Mittelalter auch „filium ante patre“ – was so viel wie „Sohn vor dem Vater“ bedeutet – genannt wurde. Mit ihrem außergewöhnlichen Blütenzyklus stellt sie so die Jahreszeiten mehr oder weniger auf den Kopf. Erst im September und Oktober beginnt die Pflanze, ihre wahre Schönheit zu offenbaren: Pro Exemplar erscheinen bis zu 5 Blüten, deren Farben von blassrosa bis violett, in Ausnahmefällen sogar weiß, reichen können. Bei ihrer Vermehrung setzt die Herbstzeitlose voll und ganz auf die Hilfe von Insekten: Während sich in der Blütezeit Bienen oder Fliegen um die Bestäubung kümmern, helfen Ameisen, die von Nährstoffen an den Samen angelockt werden, bei der Verbreitung.
Mit ein wenig Glück kann man die Herbstzeitlose bei einem Herbstspaziergang eigentlich in ganz Mitteleuropa antreffen – ihr natürliches Verbreitungsgebiet reicht vom Süden Irlands bis in die westliche Ukraine. Bevorzugt wächst die außergewöhnliche Blütenpflanze auf feuchten, nährstoffreichen Wiesen mit ausreichend Sonne und Wärme, um die kühleren Herbsttemperaturen gut zu überstehen.
Auch in lichten Auwäldern kann man sie antreffen – hier ist wiederum besondere Vorsicht geboten! Zusammen mit dem Maiglöckchen stellt die Herbstzeitlose eine große Gefahr beim frühjährlichen Sammeln von Bärlauch dar. Anhand der Blüte lassen sich die drei krautigen Gewächse ohne große Schwierigkeiten bestimmen – die Blätter lassen sich jedoch nur von erfahrenen Pflanzenliebhabern unterscheiden. Da die Unterschiede für Laien kaum erkennbar sind, ist es bei Unsicherheit ratsam, auf den Verzehr zu verzichten.
Hilfreich bei der Bestimmung ist das zeitlich getrennte Auftreten von Blüte und Blättern. Anders als beim Bärlauch treten bei der Herbstzeitlose Blätter und Blüten niemals gleichzeitig auf, sind also „nackt“, wodurch sich auch der englische Trivialname „Naked Lady“ eingebürgert hat. Das Gift der Pflanze, ein Alkaloid, findet sich in allen Pflanzenteilen wieder und ist nicht nur für Menschen, sondern auch für die meisten Tiere giftig. Über Kühe oder Schafe kann es auch für Menschen gefährlich werden: Frisst ein Tier einen Teil der Pflanze, wird das Gift vom Tier aufgenommen und kann über die Milch weitergegeben werden. Die hohe Sterblichkeitsrate von 90 % beim Verzehr kommt von der heimtückischen Wirkungsweise des Gifts beim versehentlichen Konsum. Anfangs treten keine Symptome auf, erst nach einer gewissen Zeit machen sich Anzeichen auf eine Vergiftung bemerkbar: Ein Brennen im Mund, Schluckbeschwerden, Übelkeit, gefolgt von Erbrechen und Durchfall können im schlimmsten Fall bis zum Tod führen. Aufgrund des verzögerten Auftretens dieser Anzeichen ist es ratsam, auch schon bei Verdacht auf Konsum sofort den Notruf zu kontaktieren, um eine rasche Magenspülung einzuleiten.
Ein weiterer interessanter Fakt über die Herbstzeitlose ist die Herkunft ihres Namens: Diese Pflanze „lost“ (ein althochdeutsches Wort für vorhersagen) mit dem Auftreten ihrer Blüten den Herbst ein. Eine wahrlich faszinierende Herbstblume, deren Schönheit man aber ausschließlich mit den Augen genießen sollte!
(Text: Johannes Scharschnig | WALD trifft SCHULE)
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